Bei vielen Fachleuten besteht die Überzeugung, dass Übergewicht mit bestimmten Eigenschaften der Persönlichkeit verbunden ist (Diehl, Paul & Daum 1984). Es wird dabei die Ansicht vertreten, dass emotionale oder psychische Probleme für die Entstehung des Übergewichts verantwortlich sind. Insbesondere psychoanalytische Autoren (z.B. Bruch, 1973; König, 1997) postulieren eine typische Charakterstruktur Adipöser, wobei das Übergewicht als Symptom zugrundeliegender emotionaler Störungen (speziell neurotischer und depressiver Art) angesehen wird.
Gefundene Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und einem erhöhten Körpergewicht können aber nicht ohne weiteres dahingehend interpretiert werden, dass das Übergewicht eine Folge der spezifischen Eigenschaft darstellt. Ein Beispiel für einen solchen postulierten Zusammenhang wäre, dass Menschen mit einer depressiven Charakterstruktur versuchen ihre negativen Stimmungen durch essen zu kompensieren und folglich an Gewicht zunehmen. Genauso plausibel ist aber die Annahme, dass Übergewichtige aus anderen Gründen, beispielsweise durch genetisch determinierte Stoffwechselprozesse, ein erhöhtes Gewicht aufweisen und negative soziale Interaktionen mit ihrer Umwelt aufgrund ihres adipösen Zustands bei ihnen zu depressiven Stimmungen führen.
Diehl, Paul & Daum (1984) präsentieren in einer Übersicht Daten Adipöser, die mit dem MMPI (Hathaway & McKinley, 1951) und Angst- und Depressionsskalen erhoben wurden. Dabei zeigten lediglich die Vergleiche von schwer adipösen Gruppen (überwiegend Frauen) mit der MMPI-Norm konsistente Hinweise auf Unterschiede zwischen Normal- und Übergewichtigen. Insgesamt fanden die Autoren nur selten und wenig bedeutsame Unterschiede zwischen Adipösen und Normalgewichtigen. Diehl et al. (1984) weisen darauf hin, dass die geringe Zahl an signifikanten Unterschieden auf die kleinen Stichproben zurückzuführen sind und fordern deshalb Untersuchungen an größeren Stichproben.
Untersuchungen mit dem FPI (Fahrenberg & Selg, 1970) von Diehl und Paul (1985) sowie mit dem MMPI von Wadden & Stunkard (1993) ergaben entweder keine Unterschiede zu Normalgewichtigen oder nur leichte Skalenerhöhungen bei den Merkmalen Hypochondrie, Hysterie und Impulsivität.
Nach Pudel und Westenhöfer (1991) hat sich der Weg, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zu beschreiben, die als typisch für Adipöse gelten und eine erhöhte Nahrungszufuhr erklären könnten, als aussichtslos herausgestellt und ist verlassen worden. Auffälliges Verhalten bei Adipösen wird nicht mehr als Ursache, sondern als Folge des Übergewichts aufgrund von Diskriminierungen angesehen. So schreiben Wadden und Stunkard (1992): „When psychopathology is observed in obese individuals, it is now seen as a consequence rather than a cause – a consequence of the prejudice and discrimination to which the overweight are subjected” (p.163).